Raum zur Entfaltung

Assia Fillal gründete das Tatis-Café in der Dortmunder Nordstadt

Raum zur Entfaltung: Tatis-Café-Gründerin Assia Fillal im Porträt

Assia Fillal ist Gründerin des in der Dortmunder Nordstadt ansässigen Tatis-Cafés sowie des Vereins Nordstamm e. V. Ihr Ziel: Menschen jeder Herkunft zusammenbringen und unterstützen. Ein Porträt.

Von Tabea Bremer

In einem buntbemalten Gebäude in der Fritz-Reuter-Straße sitzt ein Mann. Neben ihm unterhalten sich zwei russischsprachige Frauen, neben denen wiederum ihre Kinder spielen. Auch zwei Sozialarbeiter*innen sitzen im Café und unterhalten sich über ihre Arbeit. Die Tür geht auf und eine Transfrau betritt den Raum. „Diesen Moment hätte ich gerne festgehalten“, erzählt Assia Fillal zwei Jahre später. Fillal ist die Gründerin des Tatis-Cafés und des Vereins Nordstamm e. V. in der Dortmunder Nordstadt. Mit ihrem Angebot möchte sie Menschen unterstützen und Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bieten, was sie selbst nicht haben konnte.

„Ich ziehe meinen Weg durch“: Assia Fillals Weg zur Gründung des Tatis-Cafés

Assia Fillal wurde in der Nordstadt geboren und ist am Borsigplatz aufgewachsen. Für sie hieß es seither kämpfen, wie sie selbst sagt. „Ich musste das Doppelte geben, um dieselbe Note zu bekommen. In der Schule musste ich immer ständig erklären, wer ich bin, warum ich bin, oder ob meine Kopftuchfarbe etwas bedeutet“, erzählt die 35-Jährige. In ihrer Jugend erlebte sie Ausgrenzung, Rassismus und Ablehnung. Von ihren Zielen und Träumen abhalten ließ sie sich dennoch nicht: „Es kam einfach ein Punkt, an dem ich mir dachte: Ich ziehe meinen Weg durch“. Fillal war schon mit 15 Jahren klar, sie möchte irgendwann ein eigenes Café haben: „Ein Café, in dem alle Menschen willkommen sind und niemand aufgrund von Aussehen, sexueller Orientierung oder auch religiöser Identität ausgegrenzt wird“. Heute weiß Assia, dass sie genau das geschafft hat.

Bevor es aber dazu kam, ist Fillal nach ihrem Abschluss aus Dortmund weggezogen, und hat ein Studium in Psychologie in Bielefeld absolviert. „Ich wollte raus, die Welt sehen, ich wollte weiterkommen, ich wollte mich einfach nicht so eingrenzen und in eine Schublade stecken lassen“, sagt sie. Nach ihrem Studium hat sie zehn Jahre als Psychologin im Kinder- und Jugendbereich gearbeitet. Dann kam Corona, alles entschleunigte sich, erzählt Fillal. Sie habe gemerkt, dass die Arbeit als Psychologin mit den Kindern und Jugendlichen für sie so in der Form nicht mehr weitergehen kann. Sie wollte eine Veränderung. Also kam sie zurück in die Nordstadt, um ihr Café zu gründen.

Veränderung durch Rückkehr

Das Leben von Menschen in der Dortmunder Nordstadt könne man nur verändern, wenn man zurückkehre und vor Ort etwas verändern wolle, sagt Fillal. „Wenn du die Chance hast, zurückzukommen, dann komm wieder“, erzählt Fillal. Seine eigenen Ressourcen zu nutzen, um anderen zu zeigen, dass man wachsen könne, gebe anderen Menschen ebenso die Möglichkeit zu einem Wandel. Sie erinnert sich gerne an ihre erste Praktikantin zurück. Diese sagte ihr: „Assia, du bist die Erste, die ich kenne, die ein Kopftuch trägt, studiert hat und so selbstständig ist. Und das motiviert mich total, was aus meinem Leben zu machen.“

Nach knapp zwei Jahren Bau- und Businessplan-Erstellung hat sich Assia Fillal 2021 mit ihrer Idee beim Gründerstipedium beworben und auch gewonnen. Dies sei eine große Ehre gewesen. „Ich habe einfach die Erfahrung in meinem Leben gemacht, dass ich keine Preise gewinne“, erzählt sie. Ende September 2021 konnte sie das Tatis-Café eröffnen. Der Begriff Tati wird in vielen unterschiedlichen Kulturen für die Tante verwendet. Eine Tante wird wiederum meist mit positiven und warmen Eigenschaften assoziiert. Mit ihrem Café will Fillal Menschen nicht nur einen Ort zum Entspannen geben, sondern ihnen auch einen Ort geben, an dem sie sich sicher fühlen.

Tatis-Café und Nordstamm e. V. möchte Menschen aller Hintergründe zusammenbringen

Neben dem Tatis-Café gründete Fillal den gemeinnützigen Verein Nordstamm e. V. Mit beiden Konzepten versucht sie, das Thema Diversität in der Dortmunder Nordstadt zu thematisieren und aufzugreifen. Die Nordstadt sei ein Ort, an dem viele Menschen verschiedener Kulturen, Sexualitäten oder auch Religionen zusammenkommen und gefördert werden müssen. Im Nordstamm e. V. kommen Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern zusammen, die in der Nordstadt und in Dortmund leben. Die Kinder werden vor Ort von Betreuer*innen unterstützt, zum Beispiel bei ihren Hausaufgaben. Auch versucht Fillal, den Kindern Ausflüge zu ermöglichen – zum Beispiel ins Schwimmbad. Da es Bikinis oder Badeanzüge oftmals schon günstig zu kaufen gibt, Burkinis aber nicht, stelle sie für die Kinder und Jugendlichen bei Bedarf einen bereit.

Einen weiteren Schritt zur Integration hat Assia Fillal mit ihrem Bodenkonzept für Babys und Kinder geschaffen. Mit einem Spielzimmer in ihrem Café versucht Assia Fillal, den Müttern und Vätern etwas Last abzunehmen. Oft kommen dort Eltern mit ihren Kindern zusammen, um aus dem Alltag ausbrechen zu können. Eine junge Mutter im Café ist begeistert von dieser Idee: „Als Mutter ist es wirklich super. Wo soll man sonst als Mutter mit seinem Kind bei schlechtem Wetter hingehen?“

„Wenn jemand sagt, ich komme aus der Nordstadt, dann reicht das manchmal schon dafür, dass man ihm einen Spruch drückt“, erzählt Assia. Dann sei es egal, ob das Kind aus einem unterstützenden Haushalt käme oder nicht. „Es gibt wirklich sehr viele Eltern, die sehr bemüht sind, aber auch solche, die nicht weiterkommen “, betont Assia Fillal. Entscheidend sei es, dann einen Raum zu bieten, in dem man sich entfalten könne, sagt sie. Diesen Raum möchte sie mit dem Tatis-Café schaffen.

Fotos: Tabea Bremer.

Weitere Informationen