Die Kamera als Werkzeug: Teil I – ISO, Belichtungszeit und Blende

Wie du das Beste aus deiner Kamera herausholst

Content/

Text: Maximilian Hartmann

Die Kamera ist nur ein Werkzeug. Hinter dieser Annahme steckt viel Wahrheit. Ein guter Koch kann auch in einem günstigen Topf ein 5-Sterne-Menü kreieren. Gleiches gilt auch für die Arbeit mit Kameras. Ein professioneller Fotograf macht mit einer günstigen Kamera bessere Bilder, als es ein Anfänger mit einer teuren Kamera könnte. Was sind also die wichtigsten Funktionen einer Kamera, die man verstehen sollte? Das erklärt die neue Serie „Die Kamera als Werkzeug: Wie du das Beste aus deinem Equipment holst“. Im ersten Teil geht es um ISO, Belichtungszeit und Blende.

Um mehr Verständnis von der eigenen Kamera zu bekommen und mehr Kontrolle über sie zu erlangen, ist es wichtig, auch mal den Automatikmodus zu verlassen.

Um es kurz zu erklären: Eine Kamera im Automodus funktioniert ähnlich wie ein Smartphone. Man schaut durch den Sucher oder auf den Monitor, sucht das Bild und drückt auf den Auslöser. Die Kamera entscheidet hierbei automatisch über Belichtung, Fokus und Weißabgleich, allerdings lassen sich diese Aspekte auch alle manuell kontrollieren. Aber warum sollte man überhaupt Kontrolle über die Settings haben wollen?

Ganz einfach: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Moderne Kameras, beispielsweise Smartphone-Kameras, haben sehr zuverlässige Automatikmodi, was meistens für solide bis sehr gute Resultate sorgt. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, sich mit den Grundfunktionen der Bildaufzeichnung zu befassen.

Belichtung: ISO und Belichtungszeit

Vielleicht hast du schon mal den Begriff des Belichtungsdreiecks gehört. Bei Kameras lässt sich die Belichtung durch drei Einstellungen kontrollieren: ISO (früher auch Din oder ASA), Belichtungszeit und Blende.

Der ISO kontrolliert, wie stark der Sensor auf Licht reagiert. In anderen Worten: Je höher der ISO-Wert, desto heller das Bild bei gleicher Belichtungszeit und gleicher Blende. Aber höherer ISO heißt auch: mehr Bildrauschen, Farben werden schneller inakkurat und der Umfang der Dynamik niedriger. Hier haben wir also unseren ersten Aspekt, mit dem wir Kontrolle über die Bildqualität übernehmen können.

Grundsätzlich lohnt es sich hierbei zu recherchieren, was der sogenannte „Base-ISO“ deiner Kamera ist. Heißt: der ISO-Wert, unter dem deine Kamera in der Lage ist, das technisch hochwertigste Bild aufzunehmen. Bei den meisten Kameras ist dies der niedrigste ISO, der wählbar ist. Allerdings sorgt die niedrige Lichtempfindlichkeit in dunkleren Situationen für Probleme. Hierbei kannst du recherchieren oder auch selber testen, ab welchem ISO-Wert dir das Bild zu sehr rauscht oder die Farbverschiebungen zu präsent werden.

Die Belichtungszeit/Shutterzeit bestimmt, wie lange Licht durch das Objektiv auf den Sensor fällt. Je länger die Belichtungszeit, desto länger ist der Sensor in der Lage, Licht einzufangen. Heißt: Das Bild wird heller. Bei kurzen Belichtungszeiten ist entsprechend das Gegenteil der Fall. In der Fotografie wird die Belichtungszeit dem Szenario angepasst, so schießen Sportfotografen oft mit hohen Belichtungszeiten, um Bewegungen auf dem Foto einzufrieren, während in der Landschaftsfotografie gerne auf längere Belichtungszeiten zurückgegriffen wird.

Im Videobereich ist das alles etwas einfacher. Denn Menschen nehmen Bewegung generell mit Bewegungsunschärfe war. Um eine möglichst natürliche Bewegungsunschärfe zu erhalten, sollte man die 180°-Regel beachten. Diese besagt, dass die Belichtungszeit doppelt so hoch ist wie die Framerate, in der gedreht wird. Bei 25 fps (Bildern pro Sekunde) wäre das eine Belichtungszeit von 1/50, bei 50 fps 1/100.

Die Funktionen der Blende

Die Blende ist die einzige Einstellung bezüglich der Belichtung, die vom benutzten Objektiv und nicht von der Kamera abhängt (mehr dazu gibt es in Teil II der Serie).

Je kleiner oder offener die Blende (z. B. Blende f1.4), umso mehr Licht kann durch das Objektiv den Sensor erreichen. Gleiches gilt andersherum, eine größere oder geschlossenere Blende (z. B. Blende f8) erzeugt ein dunkleres Bild.

Von kleiner oder großer Blende spricht man in Bezug auf die Blendennummer (f). Die Begriffe „offen“ und „geschlossen“ beziehen sich wiederum darauf, wie geöffnet die Blende physisch ist.

Wenn wir die Blende schließen, wird der Fokusbereich größer. Das bedeutet, dass mehr Bereiche des gewählten Bildes scharf sind und weniger Trennung zwischen Subjekt und Hintergrund besteht. Im Gegensatz dazu verkleinert sich die fokussierte Ebene bei einer geöffneten Blende, wodurch es optisch eine stärkere Trennung zwischen Hintergrund und Subjekt gibt.

Objektive zeigen bei der offensten Blende die meisten Imperfektionen. Dazu können unter anderem Vignetten und abfallende Schärfe zu den Bildrändern zählen. Objektive mit hoher Lichtstärke und guter Performance bei offener Blende sind meist teurer, unter anderem durch die höhere Komplexität in der Verarbeitung der einzelnen Glaselemente in der Linse. Wenn du also das schärfste Resultat aus deinem Objektiv erhalten möchtest, gibt es die Faustregel, die Blende zwei Blendenstops zu schließen.

Also bei einer Linse mit der offensten Blende von f2.8 wäre diese f5.6. Es gilt jedoch nicht: Je geschlossener die Blende, desto sauberer das Bild. Tatsächlich fallen die meisten Linsen spätestens nach f11 ab und werden weicher, ähnlich wie bei Offenblende. Grundsätzlich ist es bei der Blende allerdings so (wenn wir davon ausgehen, dass das Bild gut belichtet ist), dass diese häufig als Stilmittel benutzt wird – und passend für die zu erzählende Geschichte gewählt wird. In der Porträtfotografie sieht man bei vielen Bildern unscharfe Hintergründe und eine klare Separation zwischen der Person und Hintergründen, während Streetfotografen oft mit geschlosseneren Blenden arbeiten, um das Subjekt in Kontext mit der Umgebung zu stellen.

Wann kann ein Automatikmodus sinnvoll sein?

Grundsätzlich möchten wir so viel Kontrolle über die Kamera haben wie möglich. Dennoch gibt es Situationen, in denen die Technik schneller und besser reagieren kann als man selbst.

Im Videobereich sollte man die Finger von „Automatischer Belichtungszeit“ lassen. In der Fotografie ist dieser Modus extrem praktisch, jedoch nicht in der Videografie. Hier wollen wir uns fast immer an die 180°-Regel halten und die Belichtungszeit doppelt so hoch wie die Framerate einstellen – aus dem einfachen Grund, dadurch natürliche Bewegungsunschärfe zu erhalten.

Eine automatische Blendeneinstellung ist zudem für den Videobereich eine bessere Option als eine automatische Belichtungszeit. Am besten eignet sich jedoch die automatische Einstellung des ISO-Werts. Hier lässt die Kamera Blende und Belichtungszeit unangetastet und verändert, abhängig von den Lichtverhältnissen, den ISO, sodass das Bild möglichst gleichmäßig belichtet wird. Aber was macht man, wenn selbst auf dem niedrigsten ISO-Wert, mit der gewählten Blende und der Belichtungszeit, das Bild völlig überbelichtet ist – etwa an einem sonnigen Tag?

ND-Filter als Mittel gegen Überbelichtung

ND-Filter, auch Graufilter oder Neutral Density Filter genannt, funktionieren ähnlich wie eine Sonnenbrille für die Kamera. Sie dimmen das einfallende Licht und ermöglichen so, dass man auch bei hellstem Sonnenschein mit offener Blende filmen kann. Genauso nutzen viele Landschaftsfotografen ND-Filter, um trotz Tageslicht viel Bewegungsunschärfe im Bild zu erhalten. Besonders bei Aufnahmen von Wasserfällen und Bächen sieht man den Einsatz solcher Filter recht häufig.

Die meisten ND-Filter, die man heutzutage kaufen kann, sind sogenannte variable ND-Filter. Sie sind in dem Sinne variabel, dass man sie rotieren und damit verändern kann, wie viel Licht durch den Filter ins Objektiv fällt. Meist haben professionelle Videokameras schon einen eingebauten variablen ND-Filter, der oft auch einen Automatikmodus hat.

Manueller Fokus vs. Autofokus

Jetzt haben wir unser Bild passend belichtet. Als Beispiel drehen wir mit 25 fps, dabei beachten wir die 180°-Shutter-Regel, also eine Belichtungszeit von 1/50-Sekunde und haben uns für Blende f4 entschieden. Der Rest der Belichtungsanpassung läuft über den ND-Filter. Nun müssen wir den Fokus wählen und uns für den Autofokus (AF) oder manuellen Fokus entscheiden (MF).

Wie die Namen schon vermuten lassen, ist man beim manuellen Fokus selbst dafür zuständig, das Subjekt zu fokussieren und über die Dauer des Shots im Fokus zu halten. Das hat – genauso wie auch die Nutzung des Autofokus – Vor- und Nachteile.

Der Vorteil hierbei ist, dass wir mehr Kontrolle haben und gezielte Fokusverlagerungen vornehmen können, die mit dem Autofokus schwierig oder unmöglich sind. Allerdings erfordert die Nutzung des manuellen Fokus mehr Übung und Geduld. Für Situationen, die sehr dynamisch und unkontrollierter sind, kann es also von Nutzen sein, sich für den Autofokus zu entscheiden und der Automatik der Kamera zu vertrauen.

Bezüglich des Autofokus haben Kameras verschiedene Modi, die es der Kamera leichter machen, das richtige Subjekt mit dem Fokus zu treffen. Verschiedene „Subject Detection Modes“ wie Mensch, Tier, Vogel oder Fahrzeug sagen der Kamera, welche Art von Subjekt du aufnehmen möchtest. Die unterschiedlichen Fokusfelder sorgen dafür, dass die Kamera andere Bildbereiche priorisiert.

Dir gefällt unsere Serie? In Teil II geht es um Objektive und die Wirkung verschiedener Brennweiten. 

Das könnte dich auch interessieren

Weitere Informationen